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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 2 L 43/03
Rechtsgebiete: LSA-SOG, BGB
Vorschriften:
LSA-SOG § 3 | |
LSA-SOG § 7 | |
LSA-SOG § 8 I | |
LSA-SOG § 9 I 1 | |
LSA-SOG § 9 II 1 | |
BGB § 854 | |
BGB § 855 |
2. Ob Dritte die Fässer auf das Grundstück verbracht haben, bleibt angesichts der Zustandsverantwortlichkeit außer Betracht.
Für die Zustandsverantwortlichkeit kommt es allein auf die rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft und die sich daraus ergebende Pflicht an, die Störung zu beseitigen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 L 43/03
Datum: 18.12.2003
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987), sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.
Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen; denn diese sind nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Der Darlegungslast genügt nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt. Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, dass ernstliche Zweifel an der "Richtigkeit" des Ergebnisses bestehen, muss der Zulassungsantragsteller ferner darlegen, dass das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer positiven Entscheidung gelangt wäre. Daran fehlt es hier.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die im Wege der unmittelbaren Ausführung getroffene Maßnahme der Beklagten rechtmäßig war, was Voraussetzung für die Geltendmachung eines hierauf beruhenden Erstattungsanspruchs gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - SOG LSA - i. d. F. d. Bek. v. 16.11.2000 (LSA-GVBl., S. 594), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [142 <Nr. 117>]), ist (vgl. allgemein: BVerwG, Urt. v. 13.04.1984 - BVerwG 4 C 31.81 -, DÖV 1984, 887).
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA kann eine Maßnahme im Wege der unmittelbaren Ausführung nur getroffen werden, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 7 oder 8 SOG LSA Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, d. h. auf andere Weise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht abgewendet oder eine Störung dieser Schutzgüter nicht beseitigt werden kann (Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 442).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass eine Gefahr für die öffentlichen Sicherheit gegeben war. Gemäß § 3 SOG LSA ist unter einer Gefahr eine Lage zu verstehen, in der bei ungehindertem Ablauf des Geschehens ein Zustand oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führen würde (BVerwG, Urt. v. 17.03.1981 - BVerwG I C 74.76 -, BVerwGE 62, 36 [38 f.]). Mit ihrem Einwand, die Fässer seien zur Zeit des Tätigwerdens der Beklagten unversehrt gewesen und hätten sich in einem überdachten Raum befunden, so dass es an einer hinreichenden Schadenswahrscheinlichkeit gefehlt habe, verkennt die Klägerin, dass von einer Gefahr nicht erst dann auszugehen ist, wenn der Schaden mit Gewissheit zu erwarten ist. Vorliegend war der Schadenseintritt schon deswegen hinreichend wahrscheinlich, weil die mit Wasserschadstoffen (halogenisierte Lösungsmittel; Maschinen-, Getriebe- und Schmieröle sowie Altfarben) gefüllten Behältnisse und Fässer aufgrund der aufgebrochenen Türen nicht nur Witterungseinflüssen wie Regen, Wind und Sonneneinstrahlung ausgesetzt waren, sondern ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Lichtbilder auch außerhalb des Raumes Fässer gelagert wurden. Angesichts des ungewissen Inhalts der Fässer und der nicht gewährleisteten Verschließbarkeit der Türen wäre ein Verbringen sämtlicher Behältnisse in den unverschlossenen Raum nicht geeignet gewesen, der Gefahr eines Schadenseinritts wirkungsvoll zu begegnen.
Der Gefahr eines Schadenseintritts konnte auch nicht auf andere Weise als durch die Beseitigung der Fässer und sonstigen Behältnisse begegnet werden. Zwar verpflichtet § 9 Abs. 1 SOG LSA die Behörde, grundsätzlich auch die Gefahrenbeseitigung durch den Störer selbst in Betracht zu ziehen. Eine Maßnahme darf im Wege der unmittelbaren Ausführung nur dann erfolgen, wenn die Heranziehung des Störers nach den konkreten Umständen des Einzelfalls keinen Erfolg verspricht und deshalb ausscheidet. So aber liegt es hier.
Die Heranziehung der Klägerin, die als Verursacherin der Gefahr gemäß § 8 Abs. 1 SOG LSA polizeirechtlich verantwortlich war, versprach keinen Erfolg; denn unzweifelhaft hatte die Klägerin im Zeitpunkt der Beseitigung ihren Firmensitz nicht mehr in M., sondern in E. und stand deshalb nicht unmittelbar wie jemand, der sich noch auf dem Betriebsgelände aufhält, zur Gefahrenbeseitigung zur Verfügung (vgl. auch BayVGH München, Urt. v. 16.01.2001 - 24 B 99.1571 -, NJW 2001, 1960 [1961]). Nach gefestigter Rechtsprechung sind in einer solchen Situation grundsätzlich keine Ermittlungen nach dem Verbleib des polizeirechtlich Verantwortlichen veranlasst, weil deren Erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen führt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.07.1983 - BVerwG 7 B 182.82 -, DVBl 1983, 1066; HessVGH, Urt. v. 11.11.1997 - 11 UE 3450/95 -, NVwZ-RR 1999, 23 [25]; HambOVG, Urt. v. 28.03.2000 - 3 Bf 215/98 -, NJW 2001, 168 [169]; BayVGH, Urt. v. 16.01.2001, a. a. O.).
Schließlich kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, Dritte hätten die Behältnisse möglicherweise auf ihr Grundstück verbracht; denn sie hat als Eigentümerin des Gewerbegrundstücks und der darauf befindlichen Gebäude zugleich die tatsächliche Gewalt im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA über die in den Gebäuden lagernden Sachen im Sinne der §§ 854, 855 BGB erlangt (vgl. allgemein dazu: Drews/Wacke/Vogel/Martens, a. a. O., S. 329).
Diese Zustandsverantwortlichkeit beruht auf der durch die rechtliche bzw. tatsächliche Sachherrschaft vermittelten spezifischen Verbindung zur Gefahrenquelle, die den Inhaber der tatsächlichen Gewalt in die Lage versetzt, auf die Gefahr abwehrend einzuwirken (BVerwG, Urt. v. 04.10.1985 - BVerwG 4 C 76.82 -, DVBl. 1986, 360; Drews/ Wacke/Vogel/Martens, a. a. O., S. 318 f.). Es ist daher unerheblich, auf welche Weise der polizeiwidrige Zustand entstanden ist, also im konkreten Fall, ob die Begründung der Sachherrschaft über die Behältnisse dem Willen der Klägerin entsprach. Für die Zustandsverantwortlichkeit kommt es allein auf ihre rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft über die auf ihrem Grundstück gelagerten Fässer und die sich daraus ergebende Pflicht an, für die Störungsfreiheit zu sorgen (OVG LSA, Beschl. v. 08.12.2003 - 2 L 28/01 -; OVG NW, Urt. v. 30.05.1996 - 20 A 2640/94 -, NVwZ 1997, 507). Soweit die Klägerin auf die ihr verwehrte Errichtung eines Zauns verweist, vermag auch dies ihre Zustandsverantwortlichkeit nicht zu verhindern; denn selbst durch die Errichtung eines Zauns wäre die Gefahrenquelle und die damit verbundene Gefährdung des Bodens und Grundwassers nicht beseitigt worden.
Ende der Entscheidung
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